Kritische Stellungnahme zur Applied Behavior Analysis (ABA)
von Thomas Schneider
Unsere Position zu ABA-Therapie
Worum geht es?
In unserem aktuellen Positionspapier beziehen wir klar Stellung gegen die Applied Behavior Analysis (ABA) und vergleichbare verhaltensmodifizierende Therapien bei autistischen Menschen. Dieses Dokument ist das Ergebnis sorgfältiger Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, Erfahrungsberichten und ethischen Grundsätzen.
Unsere Kernpunkte:
- ABA basiert auf problematischen Grundannahmen, die autistische Verhaltensweisen als "fehlerhaft" betrachten und beseitigen wollen
- Viele autistische Erwachsene berichten von traumatischen Erfahrungen durch ABA
- Sogenanntes "unangemessenes Verhalten" (wie Stimming) dient oft wichtigen Selbstregulierungszwecken
- Der Fokus liegt auf äußerer Anpassung statt auf dem Wohlbefinden der betroffenen Person
Unsere Alternative:
Wir setzen uns für Unterstützungsangebote ein, die auf Akzeptanz, Selbstbestimmung und echter Inklusion basieren. Dies umfasst:
- Anerkennung der Neurodiversität als wertvoller Teil menschlicher Vielfalt
- Individuelle Förderangebote, die sich an den Stärken und Interessen orientieren
- Anpassung der Umgebung an autistische Bedürfnisse, nicht umgekehrt
- Respekt für alle Formen der Kommunikation
- Berücksichtigung sensorischer Bedürfnisse
- Förderung von Selbstvertretung und autistischer Gemeinschaft
Im vollständigen Positionspapier finden Sie eine ausführliche Analyse sowie konkrete Alternativen, die wir unterstützen.
Zum Verständnis unserer Position zu ABA – ein persönliches Wort
Neben unserer klaren Haltung gegen ABA und unserem Positionspapier möchten wir uns gleichzeitig mit einem offenen und verständnisvollen Wort an Sie wenden. Die Entscheidung, in unserem Positionspapier eine klare Haltung gegen ABA zu formulieren, beruht auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungsberichten. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass viele von Ihnen in einer ganz anderen Zeit vor großen Herausforderungen standen.
Vor 30-40 Jahren sah die Welt für Familien mit autistischen Kindern völlig anders aus. Es gab kaum Unterstützungsangebote, wenig Verständnis in der Gesellschaft und so gut wie keine Alternativen zu den damals verfügbaren Therapieansätzen. In dieser Situation erschien der von Lovaas entwickelte Ansatz wie ein Hoffnungsschimmer – endlich gab es jemanden, der Zuversicht vermittelte und einen konkreten Weg anbot.
Wir verstehen vollkommen, dass Eltern damals diese Methode als Chance sahen und nur das Beste für ihre Kinder wollten. Es wäre ungerecht und nicht angemessen, frühere Entscheidungen aus heutiger Sicht zu bewerten oder gar zu verurteilen. Sie haben in Ihrer Situation verantwortungsbewusst gehandelt, mit dem Wissen und den Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung standen.
Heute haben wir jedoch neue Erkenntnisse gewonnen. Aktuelle Studien zeigen, dass klassisches ABA mit erheblichen Risiken für die psychische Gesundheit verbunden sein kann. Zudem gibt es mittlerweile eine Vielzahl alternativer Förderansätze, die respektvoller auf die Bedürfnisse autistischer Menschen eingehen.
Unser Positionspapier richtet sich an die Gegenwart und Zukunft. Wir möchten Eltern, die heute verzweifelt nach Unterstützung suchen, dabei helfen, informierte Entscheidungen zu treffen und ihre Kinder vor potenziell belastenden Therapien zu schützen.
Ihre Erfahrungen und Ihr Wissen sind für uns wertvoll. Wir laden Sie herzlich ein, diese Geschichte gemeinsam mit uns weiterzuschreiben – mit Verständnis für die Vergangenheit und mit Blick auf eine Zukunft, in der autistische Menschen in ihrer Vielfalt anerkannt und unterstützt werden.